„Der Bauch sagt NEIN!“ Eigene Verhinderungstaktiken erkennen!

Bullshit Telefonakquise Teil 2

Wer Bullshit Telefonakquise Teil 1 gelesen hat, weiß es: Seit vielen Jahren habe ich mich der Leidenschaft Telefonakquise verschrieben. Klartext: Ich telefoniere jeden Tag fröhlich quer durch alle Branchen und Hierarchieebenen, immer noch mit Begeisterung und mit enormen Erfolgen!

 

Nachdem ich immer wieder gefragt werde „Wie machen sie das?“ coache ich mittlerweile Vertriebsmitarbeiter in Einzelsitzungen oder im firmenspezifischen Workshops. Ich selbst bezeichne mich als unfreundlichste Trainerin der Welt! Was ich zu hören bekomme, macht es mir zuweilen auch schwer, freundlich zu bleiben - tausend Phrasen, tausend Ausreden! Tagesgeschäft, Mitbewerber, Brückentag, Urlaubszeit, Migräne, – glauben Sie mir ich kenne alle Ausflüchte! Die persönlichen Verhinderungstaktiken greifen verlässlich!

 

Mir macht es Spaß und anderen nicht! Warum ist das so?

 

Jeder kennt sie, diese nervigen unqualifizierten Anrufe, die uns meistens in den unmöglichsten Momenten treffen. Ein helles Stimmchen flötet überschwänglich freundlich:„Hallo hier ist Ilona Meyer von der ….“ Gerade wollen wir sagen...“Nein danke“! Da trifft uns der Wortschwall des abgelesenen Gesprächsleitfadens mit voller Wucht. Frau Meyer plappert ohne Rücksicht auf Verluste munter drauflos. Die forsche Dame ist wild entschlossen uns gutes zu tun. Wie sie es im Telefonseminar gelernt hat. Die meisten Frau Meyers sind Studentinnen, die glauben in einem Call-Center sehr leicht viel Geld zu verdienen. So hat es der Einpeitscher ihnen auch schmackhaft gemacht. „Beim NEIN fängt das Verkaufsgespräch erst an!“ Für jeden Einwand eine entsprechende Einwand-Behandlung. Sagt der Kunde dies, sagt Frau Meyer das...usw..usw. Nur nicht abwimmeln lassen...immer weiter! Mit rhetorischer Raffinesse und einem Köcher voller Argumentationspfeilen wird sie den Kunden schon erlegen.

 

Hört sich einfach an – ist es aber nicht! Denn, der Kunde ist doch nicht so doof. Schlimmer noch, er folgt dem vorgegebenen Pfad einfach nicht. Er kennt nämlich genau diese Art von Anrufen. Eigentlich finden wir alle diese Frau Meyers unverschämt. Frau Meyer bricht alle Konventionen. Genaugenommen verschafft sie sich ungefragt Zutritt in unseren Lebens- und Arbeitsbereich. Klingeling hier bin ich! Das Verständnis für Frau Meyer hält sich in Grenzen, denn was sie uns entgegenbringt ist eigentlich nicht mehr zu toppen. Frau Meyer degradiert uns zur anonymen Zielperson. Ob ein Telefonat als angenehm empfunden wird hängt von den ausgeglichenen Gesprächsanteilen ab. Doch Frau Meyer bestimmt das Telefonat. Wahrscheinlich sind wir Nummer 1678 auf ihrer Liste. Jeder Einwand ist nur ein Puzzleteil und wird sofort entsprechend eingefügt. Wenn alle Teile verarbeitet sind, erscheint im besten Fall ein großes JA! Bingo!

 

Die Masse macht's! Bei zigtausend Anrufen bleibt genügend hängen. Viel hilft viel! Also weiter geht’s! Frau Meyer stöhnt und schmeißt nach spätestens 6 Wochen den Job hin. Die Fluktuationsrate in Call-Center ist enorm.

 

Und jetzt Sie!

 

Ein guter Vertriebler erledigt natürlich seine Anrufe selbst. Telefonische Neukundenakquise gehört dazu. Außerdem ist sie immer noch der billigste und effizienteste Weg zum Kunden.

Selbstverständlich sind sie hochqualifiziert, ihr Produkt/Dienstleistung ist wirklich klasse. Die Zielgruppe ist qualifiziert, die Adressen recherchiert. Das zu erwartende Ergebnis wird den Chef erfreuen. Sie sind kein Callcenter Agent, wollen die Zielperson ja nicht überrumpeln sondern mit Fachwissen und Know-how galant überzeugen. Sie wissen auch, um so mehr man in den Trichter rein wirft umso mehr kommt unten raus – alte Vertriebsweisheit. Eigentlich könnte es jetzt losgehen. So und nun sitzen wir vor dem Telefon und wissen bereits vorher was uns erwartet. Ablehnung im höchsten Maße! „Wollen wir nicht!, brauchen wir nicht, wir haben Lieferanten, Anfragen nur per mail" - eine Klatsche nach der anderen.

 

„Halt – nicht auflegen... ich bin nicht irgendjemand!“ Das Telefonat ist oft zu Ende, bevor es begonnen hat. Nichts zu machen! Ein Kommunikationsverhalten das wir sonst nicht kennen. Wir leben ein von Respekt geprägtes Miteinander. Ausreden lassen, ernst nehmen, wertschätzen. Klappt eigentlich gut – außer bei der Telefonakquise. Ähnlich wir im Straßenverkehr kann der Angerufene einfach drauflos poltern und der Anrufer ist dem weitestgehend hilflos ausgeliefert. Selbst das Telefonzentralenfräulein weist uns mit dünnem Stimmchen in unsere Schranken. Ein mieses Gefühl! Aber halt, heute ist ja auch schon Freitag, da sind sowieso die meisten schon ins Wochenende, dann am Montag. Aber erst am Montagnachmittag. Vormittags sind die meisten sowieso noch geistig im Wochenende, oder vielleicht wäre der Dienstag doch viel besser, oder der Mittwoch oder der Donnerstag. Oder am Freitag, aber – ach ja – dann geht’s nicht da sind ja schon alle wieder im Wochenende!

Mann oh Mann! Schon wieder eine Woche vorbei. Aber nächste Woche fangen Sie an – versprochen!

 

„Hör auf die Stimme, hör was sie dir sagt...lalala....“ ertönt es aus dem Radio.

 

Wir hören die Stimme ganz deutlich. Der Kopf sagt ja – doch der Bauch sagt:

NEIN NEIN NEIN!

 

Die Paläoanthropologen könnten es erklären. Der Mensch lernt aus Erfahrung. Aus der Evolutionsforschung weiß man, es steckt mehr Steinzeit in uns, als uns bewusst ist. Der Mensch konnte nur überleben, in dem er schnell lernt. Vor allem negative Situationen müssen vermieden werden, sonst laufen wir ja Gefahr dem Säbelzahntiger auf dem selben Weg zweimal zu begegnen. Und wenn wir schon beim ersten mal mit dem Leben davonkommen, wären wir ja blöd...!

 

Was hat nun der Säbelzahntiger mit der Neukundenakquise zu tun? Was unserem Vorfahren klar war, wenn er dem Säbelzahntiger begegnet wird’s ungemütlich. „Vermeiden“! Ruft die Stimme aus dem innersten. „Nix wie weg!“ Was dem Vertriebler klar ist, stundenlanges Telefonieren mit Menschen, die eigentlich gar nichts wollen, wird ungemütlich. „Vermeiden!“ ruft die Stimme, zumindest „Verschieben....das wäre doch ein Kompromiss!“.

 

Was heißt das nun? Bleibt jetzt alles so wie es ist. Sollen wir uns mit der chronischen Verschieberitis abfinden? Das schlechte Gewissen „Eigentlich hätte ich ja...“ einfach ignorieren, vielleicht sogar den Job wechseln?

 

Doch halt! In einer kleinen schwäbischen Stadt sitzt eine Dame leicht fortgeschrittenen Alters, die telefoniert Tag für Tag. Unermüdlich, unerschütterlich, freiwillig. Immer noch mit wachsender Begeisterung und enormen Erfolgen. Warum macht sie das? Vor allem: Wie macht sie das?

 

Nach all den Jahren bin ich der Meinung Wissen und Erfahrung sollten unbedingt weitergegeben werden. Wenn ich in jungen Jahren das gewusst hätte, was ich heute weiß....!?!

 

Nun spiele ich mit dem Gedanken, ein flottes Webinar zu veranstalten. Ohne Schnick-schnack mit hundert praxiserprobten Tipps.

 

Titel: Bullshit – Telefonakquise? Oder „Und der Bauch sagt: „JA!“

 

Was meinen Sie? Soll ich?

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